Von Lean zu AI-Lean: Demings 14-Punkte-Formel und was der Qualitäts-Guru über KI wusste, bevor es KI gab

Führung durch schwierige Zeiten

In der heutigen Geschäftswelt sind bewährte Managementprinzipien und agile Ansätze eng verbunden. Demings 14 Punkte bilden die Grundlage für Lean Management, während Agilität flexible Organisationen fördert. SAFe ist ein System, dass beides miteinander verbindet über den Ansatz der Business Agility. Die Integration von KI bringt neue Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich. In der aktuellen Krise wird beim Einsatz von KI vor allem auf die Möglichkeit, Kosten zu sparen fokussiert. Diese Fokussierung greift zu kurz, da langfristiger Erfolg auf Qualität, Innovation und menschlicher Führung basiert, nicht nur auf Kostenreduktion. Wie W. Edwards Deming sagt: „Wer ein Feuer im Gebäude löscht, macht es dadurch nicht besser oder innovativer.“ (Siehe Video) Seine Prinzipien zeigen, dass nachhaltige Verbesserung und systemisches Denken entscheidend sind, um KI für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu nutzen.

Viele Organisationen fokussieren sich aber hauptsächlich, gerade bei der aktuellen Krise, auf die Möglichkeit mit KI Kosten zu senken. Sie übersehen dabei, dass KI-Implementierung ohne strategische Einbettung zu suboptimalen Ergebnissen führt. In diesem Beitrag spannen wir den Bogen von W. Edwards Deming über Business Agility in die Welt gut organisierter KI Ambitionen. Sie können entscheidende Leitlinien für eine wertschöpfende KI-Integration bieten – jenseits der reinen Kostenoptimierung. Denn wenn die Krise vorbei ist, hat der Wettbewerb genau dies vielleicht schon gemacht und startet mit einem großen Vorsprung.

Demings 14 Punkte für das Management und die Organisation

Für alle, die mit Lean Mangement noch nicht vertraut sind, hier die Einführung zum ersten Teil. W. Edwards Deming entwickelte seine berühmten 14 Punkte als Grundlage für das Total Quality Management (TQM) und veröffentlichte sie 1986 in seinem Werk „Out of the Crisis“ Diese Prinzipien entstanden aus seinem „System des profunden Wissens“ und zielen auf eine fundamentale Transformation der Managementpraktiken ab.

  1. Konstanz der Bestimmung schaffen – Langfristige Planung und Vision statt kurzfristige Gewinnmaximierung. Es geht darum, den tieferliegenden Mehrwert den das Unternehmen oder die Organisation bietet zu verstehen. Es geht nicht um kurzfristige Vorteile oder Gewinnmaximierung. Gewinne folgen dem Kundennutzen.
  2. Lean Philosophie übernehmen – Qualität als Kernwert etablieren, nicht nur als Abteilung. Werte oder Prinzipien wie Qualität oder Agilität lassen sich nicht an eine Abteilung delegieren. Sie funktionieren nur, wenn sie über alle Bereiche gelebt werden.
  3. Abhängigkeit von Inspektion beenden – Qualität in den Prozess einbauen statt nachträglich prüfen.
  4. Aufträge nicht nur nach Preis vergeben – Langfristige Lieferantenbeziehungen auf Basis von Qualität und Vertrauen sind die Basis für nachhaltige Innovation. Persönlich habe ich das sehr bewegend erfahren, als nach einem Kurs psychologischen Sicherheit der Teamleiter aus einem großen Automobilhersteller mit Tränen in den Augen meinte: „Wir erreichen die Qualität nicht ohne unsere Lieferanten. Wir müssen auch psychologische Sicherheit für unsere Lieferanten schaffen.“ Das schließt Preise, mit denen Lieferanten gut wirtschaften können mit ein. Wertschätzung kann nur mit Gegenseitigkeit funktionieren.
  5. Kontinuierliche Verbesserung – Dauerhafte und ständige Optimierung von Produktions- und Servicesystemen.
  6. Training am Arbeitsplatz – Kontinuierliche Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter ist der kritische Faktor, dass Qualität umgesetzt werden kann. Dazu ist es wichtig, dass alle Mitarbeitenden genau ihre Rolle, den Beitrag der zu leisten ist und dessen Verbindung im System versteht. Wichtig ist hier ebenso, dass die geforderte Qualität genau verstanden wird.
  7. Führung implementieren – Unterstützende Führung statt Mikromanagement. Management bedeutet ein System schaffen, indem Mitarbeitende ihre Rolle optimal ausfüllen können. Es bedeutet nicht dauernde Kontrolle. In meinem alten Leben als Controllerin hat mich ein Thema immer wieder beschäftigt. Wie ist es passiert, dass das Wort „Controlling“ falsch in Kontrolle übersetzt wurde? Das englische „to control“ bedeutet primär „steuern“ oder „lenken“, nicht „kontrollieren“ im deutschen Sinne von Überwachung oder Prüfung. Der ursprüngliche Controlling-Gedanke basiert auf dem Konzept der Navigation – ähnlich einem Steuermann, der das Schiff durch komplexe Gewässer führt.
  8. Angst eliminieren – Kultur der psychologischen Sicherheit schaffen. Demnächst dazu mehr in einem eigenen Beitrag.
  9. Barrieren zwischen Abteilungen abbauen – Silos eliminieren und Zusammenarbeit fördern. Je besser die crossfunktionale Zusammenarbeit funktioniert, desto leichter wird es, Qualitätsstandards sicher zu etablieren.
  10. Unklare Slogans vermeiden – Konkrete, umsetzbare Kommunikation statt vager Parolen. Wer kennt es nicht, der Bug, der Produktionsausfall, der durch eine unklare Kommunikation entstanden ist.
  11. Management by Objectives eliminieren – Fokus auf langfristige Kundenorientierung statt reine Kennzahlensteuerung. Ja wirklich, das sage ich als ehemalige Controllerin. Menschen lassen sich nicht durch Zahlentapeten führen. Und wie ist das mit OKRs? Zahlen und Statistiken geben uns Hinweise auf die Situation. Aber dies funktioniert am besten, wenn diese durch die Teams selbst reflektiert werden. Sie können diese nutzen, um die kontinuierliche Verbesserung zu realisieren.
  12. Stolz auf Arbeit ermöglichen – Mitarbeiter sollen Eigenverantwortung und Gestaltungsfreiheit haben. Das meint, dass Führung auch darin besteht, alles wegzuräumen, was die Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden behindert.
  13. Bildungs- und Selbstverbesserungsprogramme – Investition in die Entwicklung aller Mitarbeitenden. Denn ohne kontinuierliche Anpassung des Wissens ist die Basis für Resilienz und langfristige Innovationskraft.
  14. Transformation als Aufgabe aller – Jede*r Einzelne trägt zur Veränderung bei. Dies gilt insbesondere in disruptiven Zeiten. „Change“ kann man auch nicht an eine Abteilung delegieren. Als Coach möchte ich anfügen, man kann auch nicht bestimmen: Du bist falsch, so musst Dich ändern. Das wird nur Widerstände produzieren. Richtig ist zu formulieren: Das konkret ist unser Ziel. Wie kann da Dein Beitrag aussehen und was sollten wir oder du ändern, damit wir es gemeinsam erreichen.

Die Verbindung zu Business Agility

Die Prinzipien Demings zeigen erstaunliche Parallelen zu modernen Business Agility-Konzepten und bilden deren theoretische Grundlage.

Systemisches Denken und Anpassungsfähigkeit: Demings Betonung der Systemoptimierung entspricht der agilen Fokussierung auf adaptive, selbstorganisierenden Teams. Die Forderung nach kontinuierlicher Verbesserung (Punkt 5) spiegelt sich direkt in agilen Retrospektiven und dem Kaizen-Prinzip wider.

Kulturelle Transformation: Demings Punkt 8 (Angst eliminieren) und Punkt 12 (Stolz auf Arbeit) korrespondieren mit der agilen Betonung psychologischer Sicherheit und selbstorganisierter Teams. Die Abkehr von Management by Objectives (Punkt 11) unterstützt die agile Philosophie der Ergebnisorientierung statt starrer Zielvorgaben.

Kollaborative Arbeitsweise: Der Abbau von Abteilungsbarrieren (Punkt 9) entspricht der agilen Praxis cross-funktionaler Teams. Demings Fokus auf Führung statt Management (Punkt 7) spiegelt sich in der Rolle des Scrum Masters oder der Agile Coaches als Servant Leader wider. Es bezieht sich aber auf alle Rollen im Agilen Setup.

Kontinuierliches Lernen: Punkt 13 (Bildungsprogramme) und Punkt 6 (Training am Arbeitsplatz) finden ihre moderne Entsprechung in agilen Lernzyklen und der Betonung kontinuierlicher Kompetenzentwicklung.

Der Zusammenhang zwischen Demings Prinzipien und KI Integration oder KI Ambitionen

Die Etablierung von KI-Systemen in Organisationen kann im Kontext von Demings Prinzipien sorgfältig betrachtet werden, da sie sowohl Chancen als auch Risiken für die Umsetzung der KI Ambitionen zeigt.

Verstehen vor Implementierung: Demings Punkt 14b warnt explizit davor, „Methoden und Verfahren anderer erst dann zu übernehmen, wenn alle Grundlagen und Voraussetzungen bekannt sind und verstanden werden“. Dies ist bei KI-Systemen besonders kritisch, da viele als „Blackbox“ funktionieren. Organisationen müssen die Funktionsweise, Grenzen und Risiken von KI-Systemen vollständig verstehen, bevor sie implementiert werden. In dieser Hinsicht kann der EU AI Act auch eher einen Hilfestellung für Unternehmen betrachtet werden, als unnötige Bürokratie. Da die fachgerechte Realisierung und Nutzung von KI im Unternehmen oder der Organisation unternehmenskritisch sein kann, ist es richtig, hier eine gute Basis zu schaffen. Wir empfinden das GmbH Gesetz oder andere Gesetze die dem Fortbestand des Unternehmens dienen ja auch nicht als überbordende Bürokratie.

Qualität in den Prozess einbauen: Demings Punkt 3 (Abhängigkeit von Inspektion beenden) erhält durch KI neue Relevanz. KI kann dabei helfen, Qualität direkt in Prozesse zu integrieren durch prädiktive Analytik und Echtzeitüberwachung. Jedoch darf dies nicht zu einer neuen Form der nachgelagerten Kontrolle werden, sondern muss präventiv wirken. Auch hierzu werdet Ihr demnächst hier einen eigenen Beitrag finden.

Menschliche Führung bewahren: Punkt 7 (Führung implementieren) wird durch KI herausgefordert. KI kann Lean Manager bei Datenanalyse und Routineaufgaben unterstützen, aber die menschliche Urteilskraft und Führungsverantwortung bleibt unersetzlich. Die Gefahr besteht darin, dass KI-gestützte Entscheidungen die menschliche Komponente der Führung untergraben. Hier möchte ich insbesondere auf den sehr interessanten Eröffnungsvortrag von Robert Szilinski, KI – Die Illusion vom perfekten ERsatz und die Kraft des Menschseins, hinweisen. Bei der Fachkonferenz hat er intensive Diskussionen ausgelöst. Zusammengefasst lässt sich sagen, das was uns als Menschen ausmacht, ist das, was wir erhalten können. In diesem Zusammenhang kann man auch Führung und Coaching begreifen.

Kontinuierliches Lernen fördern: KI kann Demings Punkt 13 (Bildungsprogramme) revolutionieren durch personalisierte Lerninhalte und adaptive Schulungssysteme. Generative KI ermöglicht individuell zugeschnittene Weiterbildung, die auf den Kenntnisstand und die Position der Mitarbeiter abgestimmt ist. Weiterhin kann uns KI dabei helfen, die Silos aufzubrechen. Das funktioniert dadurch, dass wir die Nutzung gut schulen und dadurch ermöglichen, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Gerade Rollenbasierte Promts oder gute offene Fragestellungen helfen gut dabei, über den eigenen Horizont zu erweitern.

Risikomanagement und Verhältnismäßigkeit: Bei der KI-Integration müssen Organisationen Demings systemisches Denken anwenden und sowohl technische als auch rechtliche Risiken berücksichtigen. Die Kosten-Nutzen-Analyse muss den gesamten Lebenszyklus der KI-Implementierung umfassen, einschließlich Schulungspflichten, Compliance-Anforderungen und Nachhaltigkeitsaspekte. Auch dies ist keine Bürokratie, sondern Selbstschutz um nachhaltige Qualität Standards zu halten.

Synergie statt Ersatz: KI sollte Lean Management-Prinzipien unterstützen, nicht ersetzen. Die Kombination von KI-gestützter Datenanalyse mit Lean-Methoden wie 5S und Wertstromanalyse kann die Effektivität erheblich steigern. Auch im PMO oder als Agile Coach ist die KI eine gutes Werkzeug, dass uns den Alltag deutlich erleichtern kann. Dabei ist wichtig, dass KI die kontinuierliche Verbesserungskultur verstärkt, nicht untergräbt.

Summary

Demings 14 Punkte bilden ein zeitloses Fundament für organisatorische Exzellenz, das sowohl die Grundlagen für moderne Business Agility schafft als auch wichtige Leitlinien für die KI-Integration bietet. Die Prinzipien betonen systemisches Denken, kontinuierliche Verbesserung und menschenzentrierte Führung – Aspekte, die in der digitalen Transformation besonders relevant werden. Während KI das Potenzial hat, Lean Management-Praktiken zu verstärken und agile Transformationen zu beschleunigen, müssen Organisationen Demings Warnung vor unreflektierter Übernahme neuer Methoden beherzigen. Die erfolgreiche Integration von KI erfordert ein tiefes Verständnis sowohl der Technologie als auch der organisatorischen Kultur, wobei die menschliche Komponente der Führung und Entscheidungsfindung zentral bleibt.

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