Warum sich der professionelle Umgang mit Spannungen lohnt
Konflikte sind überall und sie ermüden uns. Gerade im beruflichen Kontext möchten wir Fehler und Ideen offen ansprechen, statt uns vorsichtig wie in einem Feld voller Tretminen zu bewegen. Wissen, was Konflikte sind und wie sie auf welcher Stufe gelöst werden können, hilft da weiter.
Doch Konflikte sind mehr als nur lästige Störungen im Arbeitsalltag. Aktuelle Forschung zeigt: Der professionelle Umgang mit Konflikten kann sogar zum Wettbewerbsvorteil werden.

Was die Forschung über Konflikte sagt
Konflikte kosten Geld und Energie. Eine umfassende Studie von PwC in deutschen Unternehmen belegt die erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen ungelöster Konflikte. Ungelöste Konflikte führen nachweislich zu erhöhtem Stress, Reizbarkeit und körperlichen Beschwerden bei den Beteiligten.
Die ACAS-Studie zeigt, dass professionelles Konfliktmanagement gerade in turbulenten Krisenzeiten effizient sein kann, auch wenn die Daten vor der COVID-Pandemie ermittelt wurden. Natürlich können die Zahlen nicht direkt auf Deutschland und die aktuelle Situation übertragen werden. Die große Gruppe der Teilnehmenden (9,7 Millionen betroffene Arbeitnehmer:innen) bilden aber eine solide Basis. Und das Konfliktpotential durch die Krisenzeit dürfte eher zugenommen haben.
Was die Studie robust zeigt:
✓ Konflikte am Arbeitsplatz sind weit verbreitet (über 1/3 der Arbeitnehmer betroffen)
✓ Frühe Intervention ist kostengünstiger als späte Eskalation
✓ Formelle Verfahren sind 3x teurer als informelle Lösungen
✓ Mediation hat hohe Erfolgsquote (74% Konfliktlösung)
Überraschendes aus der KI-Forschung: Eine Pre-registrierte Feldstudie mit 776 Fachkräften bei Procter & Gamble zeigte, dass KI-Tools dabei helfen können, funktionale Silos aufzubrechen. Ohne KI tendierten R&D-Fachkräfte zu technischen Lösungen, während Commercial-Teams kommerzielle Ansätze bevorzugten. Mit KI entwickelten beide Gruppen ausgewogenere Lösungen – unabhängig von ihrem fachlichen Hintergrund. Dies deutet darauf hin, dass externe Perspektiven (sei es durch KI oder Moderation) Konflikte zwischen verschiedenen Denkweisen reduzieren können.
Konflikte verstehen
Zunächst ist es hilfreich zu verstehen, dass jeder Konflikt aufsteigende Eskalationsstufen hat. Friedrich Glasls wissenschaftlich fundiertes 9-Stufen-Modell der Konflikteskalation ist seit Jahrzehnten bewährt. Es unterteilt Konflikte in drei Hauptphasen:
Stufe 1-3 (Win-Win-Phase): Beide Seiten können noch gewinnen
- Verhärtung von Positionen
- Debatte und Polarisation
- Erste Taten statt Worte
Stufe 4-6 (Win-Lose-Phase): Eine Seite dominiert
- Sorge um das eigene Image
- Gesichtsverlust der anderen Seite
- Drohstrategien
Stufe 7-9 (Lose-Lose-Phase): Alle verlieren
- Begrenzte Vernichtungsschläge
- Zersplitterung
- Gemeinsam in den Abgrund
Widersprüchliche Erkenntnisse: Nicht alle Konflikte sind gleich
Aufgabenkonflikte vs. Beziehungskonflikte: Dr. Heidi Mauersberger von der Humboldt-Universität Berlin fand heraus, dass die klassische Unterscheidung zwischen „guten“ Aufgabenkonflikten und „schlechten“ Beziehungskonflikten zu simpel ist. Meta-Analysen zeigen: Aufgabenkonflikte sind ähnlich belastend wie Beziehungskonflikte, sobald sie zu Mischkonflikten werden. Der entscheidende Faktor ist die Haltung der Beteiligten zueinander – respektvoll oder antagonistisch.
Kritik am Harvard-Konzept: Obwohl das Harvard-Konzept weithin als Goldstandard gilt, gibt es immer wieder daran Kritik. Experten warnen vor zu viel Fokus auf Kooperation, da dies in manchen Verhandlungssituationen kontraproduktiv sein kann. Manchmal sei eine gewisse Konfrontation notwendig, um echte Lösungen zu erreichen. Allerdings gibt ist mir bislang kein wissenschaftlich fundierter Beleg für das Konzept begegnet. Ich selbst habe es immer wieder angewendet und kann aus der Praxis berichten das es gut funktioniert, auch wenn dies nur anekdotische Evidenz ist.
Was wirklich hilft: Vier evidenzbasierte Schritte
🔎 Findet heraus, auf welcher Eskalationsstufe sich der Konflikt bewegt. Je nach Stufe braucht es unterschiedliche Interventionstechniken. WEGO hält eine Umfrage bereit, die in kurzer Zeit eine Konfliktlandkarte liefert.
🏛️ Versucht die Sichtweise der anderen Person zu verstehen. Dazu ist es nicht notwendig, dass ihr diese teilt. Am besten kennt ihr die Bedürfnisse der anderen Person. Die Harvard-Methode fokussiert bewusst auf Interessen statt Positionen.
🎯 Verhindert aktiv, dass Sachkonflikte zu Beziehungskonflikten werden. Wissenschaftliche Evidenz zeigt: Beide Konflikttypen können schädlich sein – entscheidend ist die Vermeidung ihrer Vermischung und die Schaffung psychologischer Sicherheit.
🏰 Nutzt bewährte Verhandlungsmethoden wie die Harvard-Methode, um Lösungen zu erhalten, die mehr als ein Kompromiss sind. Mediation hat statistisch eine sehr hohe Erfolgsquote und ermöglicht Win-Win-Lösungen.
Grenzen erkennen: Wann Mediation nicht funktioniert
Achtung bei Machtungleichgewichten: Mediation ist nicht immer das richtige Instrument. Bei erheblichen Machtungleichgewichten – etwa zwischen Führungskraft und Mitarbeiter oder in Fällen von Mobbing – kann Mediation problematisch sein. Die schwächere Partei könnte sich unter Druck gesetzt fühlen. Dies trifft insbesondere auf hierarchische Organisationen zu. Insbesondere gilt dies dann, wenn noch ein sehr niedriger Reifegrad im Hinblick auf die offene Kommunikationskultur herrscht. In diesem Fall kann könnten Einzelcoachings zielführender sein.
Weitere Stolpersteine:
- Unklare Erwartungen an den Prozess
- Mangelndes Commitment einer Partei
- Unrealistische Zeiterwartungen
Das Potenzial von Konflikten nutzen
Konflikte enthalten enormes Innovationspotenzial. Eine qualitative Untersuchung von 77 Work-Teams in Hochtechnologieunternehmen zeigte: Teams, die kompetent mit aufkommenden Konflikten auf der Beziehungsebene umgehen, fördern ihre Innovationsbereitschaft und -kraft.
Das Fazit: Wo Konflikte sind, liegt auch viel Potenzial für außergewöhnliche Lösungen. Der Schlüssel liegt im professionellen Umgang – nicht in der Vermeidung.
Wann professionelle Hilfe holen?
Wenn ihr nicht weiterkommt, holt eine Person dazu, die etwas von Mediation versteht. Faustregel: Ab Eskalationsstufe 3-4 ist externe Unterstützung meist sinnvoll. Je früher, desto kostengünstiger und erfolgreicher die Intervention.
Sie möchten lernen, wie Sie Konflikte in Ihrem Unternehmen professionell angehen? Sprechen Sie uns an – wir unterstützen Sie dabei, aus Spannungen Innovationskraft zu entwickeln.