Suppression verstehen

Kommunikationsregeln vs. offene Diskussionskultur: Was Führungskräfte von der Mediation lernen können

Die Challenger-Explosion am 28. Januar 1986 – ein tragisches Beispiel dafür, was passiert, wenn kritische Warnungen in Organisationen unterdrückt werden. (Foto: NASA)

Eine Lektion aus der Raumfahrt

Am 28. Januar 1986 explodierte die Raumfähre Challenger 73 Sekunden nach dem Start. Was viele nicht wissen: Ingenieure von Morton Thiokol hatten bereits am Vorabend eindringlich vor dem Start gewarnt. Die O-Ringe der Feststoffraketen würden bei den niedrigen Temperaturen versagen, argumentierten sie. Doch ihre Bedenken wurden in der Hierarchie unterdrückt – man wollte den Start nicht weiter verzögern. Das Ergebnis: eine der größten Katastrophen der Raumfahrtgeschichte.

Diese tragische Anekdote illustriert perfekt, was passiert, wenn kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden. In der Geschäftswelt mögen die Konsequenzen selten so dramatisch sein, doch das Prinzip bleibt dasselbe: Suppression von wichtigen Informationen führt zu schlechten Entscheidungen.

Die Balance zwischen Struktur und Transparenz in Organisationen

Als PMO-Verantwortliche, CIOs oder Teamleiter kennen Sie das Dilemma: Einerseits brauchen Teams klare Kommunikationsregeln für produktive Zusammenarbeit. Andererseits kann übermäßige Reglementierung eine offene, transparente Kommunikation unterdrücken – mit weitreichenden Folgen für Ihr Unternehmen.

Das Phänomen der Suppression verstehen

In der Mediation bezeichnet Suppression das Verhalten, bei dem Konflikte oder kritische Themen bewusst vermieden oder unterdrückt werden. Während dies kurzfristig für Ruhe sorgen mag, verstärkt es langfristig die zugrundeliegenden Probleme erheblich.

Warum Suppression in KI und IT-Teams besonders gefährlich ist

In technologieorientierten Umgebungen, wo Innovation und kontinuierliche Verbesserung entscheidend sind, kann Suppression fatal wirken:

  • Technische Schulden häufen sich an, wenn Qualitätsprobleme nicht angesprochen werden dürfen
  • Sicherheitslücken bleiben unentdeckt, wenn die Kultur des „Nicht-Kritisierens“ herrscht
  • Innovative Lösungsansätze werden unterdrückt, wenn abweichende Meinungen nicht erwünscht sind

Praktische Anwendung für Führungskräfte

1. Für PMO-Verantwortliche

Etablieren Sie Kommunikationsstandards, die gleichzeitig Struktur und kritisches Feedback ermöglichen. Implementieren Sie regelmäßige „Lessons Learned“-Sessions, in denen auch unbequeme Wahrheiten Platz haben. Nutzen Sie klare Regeln für solche Retrospektiven.

2. Für CIOs und IT-Führungskräfte

Schaffen Sie psychologische Sicherheit in Ihren Teams. Mitarbeiter müssen wissen, dass sie technische Bedenken äußern können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen – auch wenn dies unbequeme Diskussionen zur Folge hat.

3. Für HR-Verantwortliche bei Schulungen

Integrieren Sie in Kommunikationstrainings das Konzept der „konstruktiven Konfrontation“. Zeigen Sie auf, wie man kritische Punkte sachlich ansprechen kann, ohne die Arbeitsbeziehung zu gefährden.

4. Für Teamleiter

Unterscheiden Sie zwischen zustandsbeschreibenden und wertenden Aussagen. Eine Aussage wie „Dieses System hat drei kritische Sicherheitslücken“ ist eine Zustandsbeschreibung, keine persönliche Kritik.

Die Gefahr der Normalisierung

Genau wie in politischen Kontexten besteht auch in Unternehmen die Gefahr, dass problematische Zustände normalisiert werden, wenn sie nicht mehr benannt werden dürfen. Dies birgt folgende Risiken:

  • Verschleierung echter Probleme
  • Erosion von Qualitätsstandards
  • Verlust der Innovationskraft

Handlungsempfehlungen für Ihre Organisation

  1. Etablieren Sie klare Unterscheidungen: Was sind Fakten, was sind Meinungen?
  2. Schaffen Sie sichere Räume: Regelmäßige Formate für kritisches Feedback
  3. Schulen Sie Ihre Führungskräfte: Im Umgang mit unbequemen Wahrheiten
  4. Dokumentieren Sie Standards: Was ist akzeptable Kritik, was überschreitet Grenzen?

Fazit

Erfolgreiche Organisationen zeichnen sich nicht durch die Abwesenheit von Konflikten aus, sondern durch den professionellen Umgang mit ihnen. Als Führungskraft in der IT-Branche haben Sie die Verantwortung, eine Kultur zu schaffen, in der kritische Themen angesprochen werden können – denn nur so bleiben Sie innovativ und wettbewerbsfähig.

Ihre Erfahrung ist gefragt: Haben Sie bereits Situationen erlebt, in denen übermäßige Kommunikationsregeln die Problemlösung behindert haben? Welche Strategien haben sich in Ihrem Umfeld bewährt?

WEGO bietet fertige Umfragen, die den Level der Suppression im Unternehmen und dem Reifegrad der psychologischen Sicherheit.

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